Warum Ostern und die Ostergeschichte für linke und andere Atheisten die wichtigste Story und der wichtigste Festtag im Jahr sein müsste.

 Ich musste 62 alt werden um den Sinn von Ostern zu begreifen.

Natürlich habe ich als evangelischer Pfarrers-Sohn vom Vater und im Religionsunterricht die Ostergeschichte kennen gelernt: das Abendmahl, der Verrat von Judas, die Anzeige der  Hohenpriester und Pontius Pilatus, der seine Hände in Unschuld wäscht, wie das heute auch ständig der Fall ist der Golgatha-Gang, die Kreuzigung, das Foltern und eine der grausamsten Arten von Todesstrafe, die man sich nur vorstellen kann.

Der Schrei dieses Jesus Christus der von den Christen als Gottessohn bezeichnet wird: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Der Tod. Und natürlich weiß ich von dem „Wunder der Auferstehung“ – drei Tage danach gehen Maria Magdalena und seine Mutter Maria ans Grab und es ist leer!

Der Stein ist beiseite gerollt.

Als vor einer Woche Margot mich fragte „was ist denn eigentlich für uns heute der Sinn von Ostern“, habe ich mich aber ganz intensiv mit der Frage beschäftigt und habe etwas getan, was mir eigentlich durch die intensive dogmatisch-theologische Arbeit meines Vaters, die ich seit frühester Kindheit mitgekriegt habe, eher zuwider war.

Ich habe mich richtig intensiv beschäftigt mit den theologischen Studien  solcher Autoritäten für mich wie Karl Barth, der einerseits der bedeutendste evangelische Theologe des 20. Jahrhunderts in Europa ist, andererseits wohl einer der Urväter der „Theologie der Befreiung“, der „Theologie des Pluralismus“, der maßgeblich zunächst Dietrich Bonhoeffer, aber später dann auch Ernesto Cardenal und viele andere in Lateinamerika beeinflusst hat.

Karl Barth und andere beschäftigen sich ganz ausführlich damit, dass es zwar ein historischer Jesus liebt. Es scheint nachweislich zu sein, dass etwa 30 Jahre nach unserer Zeitrechnung so ein Wanderprediger durch Palästina gewandert ist und dort Wunder vollbracht hat und viele Anhänger hatte, aber dass er auferstanden sei, physiologisch nachweisbar, dass es hier eine Form der Wiederbelebung gab – keinerlei Nachweis!

Wir kennen das aus dem Fernsehen, wenn das Herz aussetzt, kommt der Arzt oder der Notarzt mit diesen zwei Elektropolen und auf die Brust – „bitte zurücktreten!“ – und PENG! 3,4,5 mal, 10,20 Mal und entweder es klappt, oder es klappt nicht… Diese Form der Wiederbelebung, nichts davon ist nachweisbar.

Nachweisbar ist nur, dass das Grab leer war. Die Jünger können können den Leichnam weggebracht und verscharrt haben verscharrt haben, um den „Hokuspokus mit der göttlichen Auferstehung“ zu behaupten.

Darin eigentlich steckt der ganze Kern, das Alleinstellungsmerkmal der christlichen Botschaft an Ostern: Es geht um den Glauben! Und zwar nicht den Glauben an irgendwelchen –für mich -Unsinn wie die (entschuldigt liebe Katholiken ) Unfehlbarkeit des Papstes oder das Vorhandensein der Jungfernhaut bei der Jungfrau Maria nach der Geburt Jesu, sondern Glauben daran, dass der Tod überwunden werden kann.

Tod, wo ist dein Stachel -Hölle, wo ist dein Sieg?

Dass das Böse überwunden werden.

Und all das, was sich in den Jahrhunderten danach für uns heute so fremd angehört: der jüngste Tag, die Wiederauferstehung, das Jüngste Gericht, einen strafenden Gott, irgendetwas, was nach dem Bretterzaun namens Tod passiert… All das können wir getrost vergessen, wenn wir, wie das in meinem Lieblingsbuch (und im folgenden will ich einige meiner Lieblings – Bücher vorstellen) nämlich der „Bibel in gerechter Sprache“ übersetzt wird: dort ist das „Himmelreich Gottes“ immer übersetzt mit der „, eine Ordnung, in der Gerechtigkeit herrscht.
bibel in gerechter sprache

Und wenn ich dann statt „Gott“ noch „Liebe“ sage, also eine gerechte „Ordnung der Liebe“; wenn ich dann statt Liebe noch Solidarität sage, also die Hoffnung auf eine gerechte Ordnung, in der Liebe und Solidarität zwischen den Menschen herrscht!

 das ist die Osterbotschaft!

Und das kann man glauben oder nicht.

Und das zu glauben, dazu gehört ganz schön viel Kraft.

 Einer der Theoretiker der Theologie der Befreiung, Franz Hinkelammert, hat deshalb seine politische Botschaft über die Aufgaben der Christen zur Veränderung der Welt, zur Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung genannt:

Kultur der Hoffnung- Für eine Gesellschaft ohne Ausgrenzung ohne Naturzerstörung„. Immer wieder geht es darum: ist es berechtigt zu hoffen?
kultur der hoffnung

Obwohl so vieles dagegen spricht,

– obwohl die Kriege nicht aufhören,

– obwohl die Umweltzerstörung in einem Maße zunimmt, dass man Angst haben kann, ob uns irgendwann der ganze Erdball um die Ohren fliegt,

– obwohl die Verbindung der Menschen mit den modernen Medien immer weiter voranschreitet und jeder Fortschritt  – zum Beispiel, was das Internet betrifft,der zur Demokratisierung führen kann, immer auch noch die andere Seite hat, so Polarisierung, zur Aufhetzung primitiver Triebe und Beschimpfungen beiträgt.

 Flashmob ist ja was schönes, aber Mob nicht.

 Also gibt es Grund zur Hoffnung? Obwohl nichts bewiesen ist! Es gibt keinen physikalischen Beweis, was oder wie das geschehen sein soll, dass da ein Jesus Christus auf einmal wieder zum Leben erweckt wurde, ja dann sogar noch zum Himmel gefahren ist, Jahrtausende, bevor der Hubschrauber erfunden wurde.

 Ernst Bloch, nachdem er das, was er als ersten deutschen sozialistischen Staat auf deutschem Boden ansah, resigniert verlassen hat und in den kapitalistischen Teil Deutschlands übergesiedelt ist ,das „Prinzip Hoffnung„, das ist die Osterbotschaft.

 Nun will ich ein Buch  anführen wo ich weiß, dass es ganz viel Gegen-Argumente gibt, weil ich weiß, dass es so wahnsinnig viel Enttäuschung gibt.

Ohne diese Enttäuschung über den amerikanischen Präsidenten gäbe es heute die OCCUPY-Bewegungen nicht.

Und trotzdem empfehle ich jedem dieses Buch von Barack Obama, dass er vor seiner Wahl zum US Präsidenten geschrieben hat

Es ist eine glasklare Analyse einerseits des korrupten amerikanischen Parlamentarismus, des Systems der Macht der Pharmakonzerne und des militärischindustriellen Komplex. Und trotzdem nennt er das Buch auf amerikanisch „The audacity of hope“, das Wagnis zu hoffen, das Wagnis zu hoffen die Verrücktheit zu hoffen!
audacity of hope

Dieser Gedanke war mir jetzt wichtig, nicht etwa die Widersprüche, die Frustrationen, die Obama auslöste, auch die Hoffnungen die er enttäuscht hat nach seiner Wahl. Aber das Wagnis zu hoffen, daraus entspringt heutzutage Kraft zur Veränderung.

 Und eine meiner größten Überraschungen, auch Enttäuschungen als ich noch Mitglied der Linkspartei war, geschah, als wir mal bei Facebook ein Pressesprecher eines Landesvorstandes der Linken das Heiner-Müller-Zitat gepostet hat:  „Hoffnungen – das ist doch nur ein Mangel an Information!“

Ich habe darüber nachgedacht und es hat dann sehr sehr viele Bestätigung gefunden, dass es in der Linken unglaublich viel Pessimismus gibt, unglaublich viele, die von einer künftigen solidarischen Gesellschaft sprechen, obwohl sie der festen Überzeugung sind, dass es nicht oder nicht auf demokratische Art und Weise zu Stande kommen kann.

Oder: Nochmal solche störischen Rückfälle in Diktaturen, nach dem Motto: „man muss die Menschen zum Guten zwingen“ was alles in den sibirischen Gulags längst als ein schreckliches Trauma der Befreiungsbewegung widerlegt wurde.

Es gibt in der Linken nicht mehr Pessimisten als in der Gesellschaft, sowie es nicht mehr Antisemiten gibt als in der Gesellschaft, aber es gibt sie zuhauf und viel zu viele.

Man kann den Tod überwinden. Wir können eine Zukunft erschaffen, in der jeder dem andern ein Freund ist nicht ein Wolf ist, in dem die Freiheit des einzelnen Voraussetzung für die Freiheit aller ist, in dem der Mensch und zwar jeder einzelne aufhört, ein geknechtetes Wesen zu sein.

Wenn die Hoffnung nicht da ist, dann kann ich mich auch den Dramen, den tragischen Seiten nicht stellen.

Deswegen gehört für mich die Abwesenheit von Hoffnung, die Angst vor Hoffnung zusammen mit Alexander und Margarete Mitscherlichs Buch „die Unfähigkeit zu trauern“.

unfähigkeit zu trauern
Solange wir uns aber die Niederlagen nicht eingestehen wollen, dem Tod nicht ins Auge schauen wollen,

  •    der Barbarei des Stalinismus,
  •   der unglaublichen Wirkmächtigkeit der kapitalistischen Korruption in die Arbeiterbewegung hinein,
  •    der Tatsache dass die Sex-Reisen der VW-Betriebsräte  nur eine winzige Spitze eines Eisbergs ist , der sich tief in die Arbeiterbewegung, in viele Betriebsräte hineingefressen hat (völlig jenseits der großartigen Ehrenamtlichkeit von vielen Betriebsräten die sich ihre Kolleginnen Kollegen einsetzen), aber da nagt etwas, bis hin vor allem
  •    zu der ganzen Katastrophe der Gemeinwirtschaft, dem Verjubeln des Gewerkschaft-Eigentums in den sechziger und siebziger Jahren.

 Als vorletztes: als ich mein Bücherschrank durchstöbert habe, ist mir etwas ganz erstaunliches aufgefallen: neben dem Buch „die Unfähigkeit zu trauern“, gefunden habe ich zwei Bücher über Opfer des Stalinismus und sie handeln von Hoffnung“

„Wäre es schön? Es wäre schön!“ schreibt Irina Liebmann, die Tochter von Rudolf Herrnstadt, Anfang der Fünfzigerjahre Chefredakteur des Neuen Deutschlands, Reformkommunist und von Walter Ulbricht in die Wüste gejagt, entwürdigt und als Archiv-Mitarbeiter dazu verdammt, den Rest seines Lebens dahinzuvegetieren.

„Wäre es schön? Es war sehr schön!- die Hoffnung.rudolf_herrnstadt

 Noch krasser: der Sohn der Schauspielerin Carola Neher, die erste Darstellerin der Seeräuber-Jenny in „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagony“, der Geliebten von Bertolt Brecht, die in sibirischen Lagern elendig an Tuberkulose zu Grunde ging, er betitelt die Biografie seiner Mutter: „Dem Traum folgen!“dem traum folgen

Der Ostertraum! Die Vision, die in allen Religionen zu allen Zeiten der Menschheit existierte: „ja es gibt eine Überwindung des Bösen, der Tod beendet nicht den Sinn des Lebens. Das Leben hat einen Sinn, weil wir gemeinsam mit der Natur die Gesellschaft verändern können.

„Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ Das steckt hinter den etwas altmodisch klingenden Worten die sich die Christen an den Osterfeiertagen innerhalb und außerhalb der Kirchen zugerufen haben: „Christ ist erstanden, ist wahrhaftig auferstanden!“

Ich wünsche allen die Audacity of Hope, das Wagnis zu hoffen!

Frohe Ostern

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